Leseproben

aus dem Reiseführer
Kreuz und quer durch Vietnam


Vorwort

Viele Besucher verbinden auch heute noch Vietnam mit Krieg und feindseligem Kommunismus. Tatsächlich sind die Narben des amerikanisch-vietnamesischen Krieges auch rund 40 Jahre nach dessen Ende immer noch allgegenwärtig. Am schwersten trifft einen das Schicksal der hochgradig behinderten und oft fürchterlich entstellten Kriegskrüppel, Minenopfer und jungen Menschen mit Dioxin-Folgeschäden. Umso mehr mag der Reisende überrascht sein, daß von Feindseligkeiten gegenüber Langnasen, gleich welcher Nationalität, nichts zu spüren ist. Im Gegenteil: Der Besucher wird offenherzig, freundlich und mit Neugier empfangen.

Vietnam - ein Land voller Gegensätze: Bis zu 3.000 m hohe Berge, idyllische Traumstrände und verwunschene Buchten faszinieren den Urlauber. Sattgrüne Reisfelder und tropische Urwälder werden fleckenweise von napalmverbrannter und dioxinverseuchter Erde zerrissen. Die bittere Armut der Landbevölkerung ist ebenso offenkundig wie der neue Reichtum in den Metropolen. Die Großstadthektik steht in krassem Gegensatz zur meditativen Ruhe, die die Menschen auf dem Lande ausstrahlen. Konservativer Kommunismus sucht den Schulterschluß mit progressivem Kapitalismus, so paradox dies auch immer klingen mag.

Vietnam - der Schmelztiegel: Der Einfluß des indischen und des chinesischen Kulturkreises wird ebenso spürbar wie der der ehemaligen französischen Kolonialherren. Die Religionen Buddhismus, Konfuzianismus, Taoismus und Christentum existieren friedlich nebeneinander und vermischen sich sogar in der Cao Dai-Sekte.

Vietnam - das neue Wirtschaftswunderland Asiens: Mit Doi Moi (Erneuerung) wurde seit 1987 in kleinen Schritten die Außen- und Privatwirtschaft liberalisiert, 1994 hoben die USA ihr Handelsembargo auf und 1995 trat Vietnam dem ASEAN-Staatenbund bei. Ausdauer, Fleiß, Leistung, Geschick, Sparsamkeit und Zähigkeit der Vietnamesen lassen keinen Zweifel daran, daß dieses Land nach Japan, Korea, Singapur und Hongkong einen kometenhaften wirtschaftlichen Aufstieg in dieser Region erleben wird.

Vietnam - das Urlaubsland: Am Aufbau der touristischen Infrastruktur wird fieberhaft gearbeitet. Der natürliche Charme der Vietnamesen fasziniert ebenso wie märchenhafte Landschaften und jahrtausendealte Kulturstätten. Erleben Sie das geschäftige Treiben auf den Märkten, den Duft der Garküchen, eine Cyclo-Fahrt durch´s Großstadtgetümmel, smaragdgrüne Reisfelder, eine badende Büffelherde im Sonnenuntergang, eine Dschunkenfahrt unter roten Segeln und vieles, vieles mehr...

Die Autoren wünschen Ihnen eine interessante Reise!



Geschichte (Auszug, Abschnitt 6):
Der amerikanisch-vietnamesische Krieg (1964 - 1975)

...Die nächste internationale kriegerische Auseinandersetzung begann erneut im Golf von Ton King. Im August 1964 provozierte der US-Zerstörer Maddox einen Schußwechsel mit nordvietnamesischen Küstenschutzbooten, was den amerikani-schen Kongreß zur soge- nannten Ton King-Resolution veranlaßte. Diese ermöglichte nun ein offenes militärisches Engagement, das Anfang 1965 begann.

Drei Jahre später waren bereits über eine halbe Million GI's und circa 100.000 alliierte Soldaten im Lande stationiert. Obwohl ihnen das unwegsame Dschungelgelände und das Tropenklima teilweise schwer zu schaffen machten, waren die Amerikaner in den ersten Jahren des Kriegs von einem schnellen Sieg überzeugt.

Der Wendepunkt im Kriegsverlauf erfolgte am Tage des vietnamesischen Neujahrsfests Tet im Jahr 1968 (Tet-Offensive). In einer großangelegten Aktion stürmten die Truppen Ho Chi Minhs fast jede Stadt des Südens und eroberten sogar die US-Botschaft in Sai Gon.

Nun legten die Amerikaner endgültig jede Rücksichtnahme ab und schlugen erbarmungslos zurück. Ganze Ortschaften wurden dem Erdboden gleichgemacht und die kommunistischen Truppen mußten sich wieder zurückziehen. Die amerikanische Öffentlichkeit aber erlebte die heftigen Kämpfe am Bildschirm live mit und reagierte entsetzt über die Brutalität und den Verlust zahlreicher junger US-Soldaten. Die Stimmung in den USA änderte sich.

1968 gewann Richard Nixon die Präsidentschaftswahl mit dem Versprechen, den Krieg zu beenden. Stattdessen weitete der neue Präsident nach seinem Amtsantritt den Krieg auf die Nachbarländer Kambodscha und Laos aus, da von deren Staatsgebiet aus die Versorgung des Feindes erfolgte.

Die Kosten und Opfer des Krieges stiegen ständig. 1969 starb Ho Chi Minh zu einem Zeitpunkt, als kein Sieg einer Partei abzusehen war. Unter dem Druck der Öffentlichkeit zogen sich die USA jedoch allmählich aus dem Geschehen zurück und überließen schrittweise ihren südvietnamesischen Verbündeten das Kampffeld. Es fanden internationale Friedensgespräche statt, die im Januar 1973 zu einem "Abkommen über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Frie- dens in Vietnam" führten. Dieser Vertrag brachte den Verhandlungsführern Henry Kissinger und Le Duc Tho den Friedensnobelpreis ein. Der Vietnamese verzichtete jedoch auf die Entgegennahme dieser Ehrung.

Die letzten regulären US-Truppen verließen im März 1973 Vietnam. Das von den Amerikanern weiterhin ökonomisch gestützte Regime im Süden unter Präsident Thieu stand nun Ha Noi und den Kämpfern der Befreiungsfront gegenüber. Nachdem der US-Senat aber die finanziellen Hilfen für die ehemaligen Verbündeten drastisch kürzte, brach die Wirtschaft Südvietnams zusammen. Die chaotischen Zustände im Lande führten schließlich zum Rückzug der Regierungstruppen Thieus und mit dem Fall Sai Gons am 30. April 1975 zu einem eindeutigen Sieg Ha Nois.

Die letzten zivilen Amerikaner wurden in einer dramatischen Rettungsaktion vom Dach des Botschaftsgebäudes mit Hubschraubern evakuiert.



Religionen (Auszug, Abschnitt 6):
Die Cao Dai-Sekte

Das Me Kong-Delta war insbesondere Anfang dieses Jahrhunderts eine Brutstätte für die Entwicklung allerlei abstruser Sekten. Eine der bekanntesten, die 1926 in Tay Ninh nahe der kambodschanischen Grenze gegründet wurde, ist die Cao Dai-Sekte. Sie beruft sich auf die Erleuchtung eines damaligen Kolonialbeamten namens Ngo Van Chieu, dem ein strahlendes Auge erschienen war. Cao Dai, das höchste Wesen oder auch der höchste Thron, sollte an der Spitze einer neuen Religion stehen, die alle Glaubensrichtungen des Landes vereinigen würde.

Die Organisation der Cao Daisten ist streng hierar-chisch gegliedert und erinnert an die Struktur der katholischen Kirche, wenngleich auch Elemente aus dem Konfuzianismus, dem Buddhismus, dem Taoismus und gelegentlich Zitate aus dem Koran verwendet werden. Der Osten und der Westen gehen hier eine harmonische Verbindung ein.

Den Mittelpunkt bildet der "Heilige Stuhl" mit dem Papst. Desweiteren gibt es Kardinäle, Priester und Priesterinnen, die im Zölibat leben und Vegetarier sind. Im Tempel der Cao Daisten dominieren aufwendige Dekors mit grellen, bunten Farben und über allem strahlt das Auge des höchsten Wesens.

Die Sekte wurde den Franzosen suspekt, als in den 40iger Jahren ihre Anhänger stark an Zahl zunahmen und diese sich auch bewaffneten. Mit ihrer Privatarmee bildeten die Cao Daisten bald einen "Staat im Staate" und konnten kaum mehr kontrolliert werden.

Die Amerikaner sahen in ihnen die 3. Kraft und standen ihnen eher positiv gegen- über. Schließlich lehnten die USA zumindest offiziell sowohl den Kolonialismus als auch den Kommunismus (die zwei Hauptkräfte in Vietnam) ab. Besondere Berühmtheit erhielt die Cao Dai-Sekte in Graham Greenes 1956 erschienenem Roman "Der stille Amerikaner", in dem der genannte Mr. Pyle, wohl in offiziellem Auftrag seines Landes, mit einem Cao Dai-General kooperierte. Im Süden des Landes soll die Sekte auch heute noch über eine Million Anhänger haben.



Sprache, Schrift und Namen

Die vietnamesische Sprache ist sprachverwandt mit dem Kantonesisch - Chinesischen, beinhaltet aber auch Elemente des Mon-Khmer, Thai und Muong. So einfach die Grammatik (ohne Deklinationen und Konjugationen), so schwer ist es für Ausländer die richtige Aussprache zu erlernen. Vietnamesisch ist eine tonale Sprache, wobei die unterschiedliche Betonung der Vokale einem Wort bis zu sechs verschiedene Bedeutungen geben kann. "Ma" bedeutet z.B. Gespenst, aber auch Mutter, Reissetzling, Grab oder Pferd, je nachdem ob es in normaler Sprechlage, in fallender Tonlage, in aufsteigender Tonlage, tief und gepreßt, in fragendem Tonfall oder mit unterbrochenem Vokal ausgesprochen wird.

Die Worte bestehen aus ein oder zwei Silben, von denen jede noch bis ins 17.Jahr- hundert ein eigenes, chinesisches oder dem chinesischen sehr ähnliches Schriftzeichen hatte. Bis dahin konnten sich Vietnamesen und die zahlreichen chinesischen Volksstämme trotz der Vielfalt ihrer Sprachen schriftlich gut miteinander verständigen.

1651 gab der französische Jesuit Alexandre de Rhodes ein Wörterbuch heraus und übersetzte die Bildzeichen (chu nom) unter Verwendung einiger neuer Akzentuierungen in romanische Lettern (quoc ngu). Kurz darauf übertrug er auch den Katechismus in die neue Schrift.

Während die Mandarine noch bis 1945 an den chinesischen Schriftzeichen festhielten, wurde das neue Alphabet rasch zur Schrift der breiten Massen.

Die richtige Aussprache ist für Nicht-Asiaten schwer zu erlernen. Wir haben auf die Verwendung sogenannter Tonzeichen im Rahmen dieses Reiseführers verzichtet.

Da Sie mit ein paar freundlichen Worten in der Landessprache bei den Vietnamesen dicke Pluspunkte ernten können, empfehlen wir Ihnen, die Standardsätze auf der hinteren Umschlaginnenseite mit Hilfe eines Einheimischen (z.B. Hotelangestellter, Taxifahrer) in richtiger Aussprache einzuüben.

In größeren Städten können Sie sich meist ganz gut mit französisch oder englisch durchschlagen. Ältere Menschen, die während der Kolonialzeit aufwuchsen, verstehen eher französisch, während die Bewohner des Südens zwischen 1964 und 1975 von den Amerikanern vieles aus der englischen Sprache annahmen. Wer dagegen in den Jahren 1980 bis 1987 beim Englischlernen erwischt wurde, mußte mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Heute sind die Englischkurse in Ho Chi Minh City wegen der vielversprechenden Geschäftskontakte zum Westen voller als jedes Kino.

Nicht selten trifft man besonders in den Großstädten des Nordens auf ehemalige Vertragsarbeiter der DDR, die fließend deutsch sprechen.

Personennamen setzen sich im Vietnamesischen in der Regel aus Nach-, Mittel- und Vornamen zusammen. Der Familenname ist für die Identität einer Person weniger bedeutungsvoll als bei uns, zumal es mehr Nguyen gibt als in Deutschland Bauers, Meiers, Müllers, Schmidts und Schulzes zusammen. Man geht davon aus, daß jeder zweite bis dritte Vietnamese Nguyen heißt. Um so sorgfältiger wird dafür der Vorname ausgewählt, mit dem man sich auch anspricht. Da die meisten Vornamen nicht auf das Geschlecht einer Person schließen lassen, kennzeichnet der Mittelname Thi einen weiblichen und Van einen männlichen Namen. Mittelnamen können aber auch aus anderen, geschlechtsunspezifischen Worten bestehen.

Ortsnamen sind meist zwei- oder dreisilbig. Während im Vietnamesischen immer alle Silben einzeln geschrieben werden, ist die westliche Literatur hier recht inkonsequent: Hanoi und Saigon sieht man oft zusammen-, Da Nang und Nha Trang dagegen auseinandergeschrieben. Wir haben uns entschieden, in diesem Reiseführer mit Ausnahme des Landesnamens (konsequent wäre: Viet Nam) die vietnamesische Schreibweise anzuwenden.